17. Februar 2021
Im Alltag sprechen wir oft von „disruptiven Innovationen”, durch die – basierend auf einer neuen Technologie oder einem erweiterten Geschäftsmodell – ein neues Produkt oder andersartige Dienstleistungen entstehen. Die frühzeitige Erkennung solcher Innovationen ist essenziell für eine langfristige und erfolgreiche Positionierung im Wettbewerb. Denn auch die Industrie 4.0 und Produktion 4.0 gelten als disruptive Innovationen, weswegen feststeht, dass sich der klassische Werkzeugbau verändern und industrialisieren muss. Unser geschäftsführender Gesellschafter Prof. Wolfgang Boos hat sich am 29. Januar 2021 in einem einstündigen Themenimpuls-Highlight unter dem Motto „Quo vadis Werkzeugbau Deutschland?” der wichtigen Frage angenommen, wie sich Werkzeugbaubetriebe in den nächsten fünf Jahren strategisch ausrichten können.

Wie können sich Werkzeugbaubetriebe für die Zukunft strategisch ausrichten? – 5 Typen

Typ 1 | Fokus auf Werkzeugbeschaffung & Reifmachung

In Werkzeugbaubetrieben diesen Typs gibt es keine eigene Werkzeugfertigung mehr. Es erfolgt eine reine Beschaffung der Werkzeuge – mitunter in unterschiedlichen Reifegraden. Ein mit der Werkzeugherstellung und -optimierung vertrautes Spezialistenteam ist für die Reifmachung der Werkzeuge zuständig, sodass diese an jedem Standort und jederzeit beim Kunden eingesetzt werden können.

Typ 2 | Fokus auf Engineering & Reifmachung

Bei diesem Typ von Werkzeugbaubetrieben steht nicht die Beschaffung des Werkzeugs im Fokus, sondern das Know-how zur Auslegung des Werkzeugkonzepts sowie zur Unterstützung der Produktentwicklung bei der werkzeuggerechten Optimierung der Serienbauteile. Die hierfür erforderliche Werkzeugexpertise wird zudem genutzt, um Serienproduzenten beim Serienanlauf der Werkzeuge zu unterstützen. Die Tätigkeiten in der Reifmachung gleichen denen bei Typ 1.

Typ 3 | Fokus auf „Produktivitätslieferung“ & „Tooling as a Service“

Werkzeugbaubetriebe diesen Typs positionieren sich als ganzheitlicher Anbieter – also als Produktivitätslieferanten, die das Kernprodukt Werkzeug um ergänzende datenbasierte Leistungsangebote erweitern. Im Fokus der Leistung steht weniger das Werkzeug selbst, sondern ein mit dem Kunden vereinbartes Produktivitätsversprechen. Es handelt sich nicht mehr um eine klassische Kunde-Lieferant-Beziehung, sondern um eine strategische Partnerschaft. Zahlungsmodalitäten können dabei neu ausgelegt und sogar eine höhere Vergütung des Werkzeugbaus im Vergleich zum reinen Verkauf kann realisiert werden.

Typ 4 | Fokus auf Engineering & Fertigung

Dieser Typ von Werkzeugbaubetrieben konzentriert sich auf die ganzheitliche Erstellung des Werkzeugs. Dies beginnt mit der Unterstützung des Kunden in der Entwicklung, bspw. durch eine synchronisierte Bauteil- und Werkzeugentwicklung, und beinhaltet zusätzlich die operative Exzellenz zur Herstellung der Werkzeuge unter höchsten Qualitätsanforderungen. Dies erfordert eine hohe Effizienz in der Werkzeugherstellung an Hochlohnstandorten, um international wettbewerbsfähig zu bleiben.

Typ 5 | Supportgarant der Serienproduktion

Kern der Leistung von Werkzeugbaubetrieben diesen Typs ist die Instandhaltung und Reparatur von Werkzeugen sowie die Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Serienproduktion. Im Fokus der Leistungserbringung steht eine hohe Zeiteffizienz und Verfügbarkeit. Eigene Werkzeuge stellen die Betriebe nicht mehr her. Ähnlich wie bei Typ 1 ist eine hohe Mitarbeiterkompetenz im Kontext der Werkzeugoptimierung notwendig – gleichermaßen ein tiefgehendes Verständnis für den jeweiligen Produktionsprozess.

Eine allgemeingültige Ausrichtungsempfehlung gibt es nicht, vielmehr die Erkenntnis: Bei der strategischen Ausrichtung des einzelnen Werkzeugbauunternehmens sind sowohl unternehmensindividuelle Gegebenheiten, bspw. Know-how, Ressourcen oder Kapital, als auch übergeordnete Rahmenbedingungen, z. B. globale Megatrends, Marktanforderungen oder das Wettbewerbsumfeld, zu berücksichtigen. Außerdem lassen sich fünf strategische Erfolgsfaktoren ausmachen, die für alle dargestellten Typen von Werkzeugbaubetrieben eine Rolle spielen.

Wie kann die eigene Wettbewerbsfähigkeit erhalten bleiben? – 5 strategische Erfolgsfaktoren

Digitale Vernetzung

Die digitale Vernetzung des Werkzeugbaus zur Erhöhung der Effizienz entlang der Wertschöpfungskette gilt als unausweichlicher Faktor zur Sicherstellung der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit. Sie muss durch die ganzheitliche Entwicklung von Lösungen entlang der gesamten Prozesskette des Werkzeugbaus gelingen – und unterschiedliche Einzelanwendungen zu einer Gesamtlösung integrieren.​

Datenbasierte Geschäftsmodelle

Die alleinige Fokussierung auf das Kernprodukt Werkzeug reicht in Zukunft nicht mehr aus, um ein konkurrenzfähiges Leistungsportfolio am Markt zu offerieren. Kunden erwarten auf sich individuell ausgerichtete Dienstleistungen, die auf Grundlage von Datenanalysen während der Werkzeugnutzung einen Mehrwert für sie erzeugen.

Nachhaltige Wertschöpfung

Die Umsetzung der Nachhaltigkeit gewinnt gesellschaftlich wie wirtschaftlich an Bedeutung. Die Branche Werkzeugbau steht vor der Herausforderung, das Ausmaß der Umwelteinwirkung von Produktionsprozessen, Produkten und Dienstleistungen zu reduzieren. Zudem gilt es, die Berücksichtigung der sozialen Ansprüche innerhalb der Werkzeugbaubetriebe zu gewährleisten.

Kollaborative Arbeit

Der Aufbau von Werkzeugbauallianzen ermöglicht es den typischerweise kleinen und mittelständischen Unternehmen der Branche Werkzeugbau, ihre Innovationskraft, Fertigungseffizienz sowie strategische Position zu optimieren. Gemeinsam können neue Geschäftsfelder erschlossen und die erfolgreiche Umsetzung großer Werkzeugprojekte im Verbund durch gemeinsame Ressourcennutzung ermöglicht werden.

Innovative Fertigungstechnologien

Technologien der additiven Fertigung bilden die Grundlage für neuartige Dienstleistungen und die Optimierung der Werkzeugtechnologie. In der Angebots- und Entwicklungsphase werden Kunden in kürzester Zeit erste Prototypen zur Verfügung gestellt, um Produktoptimierung und Werkzeugkonstruktion zu unterstützen. Zudem werden während der Serienproduktion Ersatzteile additiv hergestellt, um die Reaktionsschnelligkeit und Effizienz in der Werkzeuginstandhaltung zu erhöhen.

Mehr zum Thema „Quo vadis Werkzeugbau Deutschland?“ und den fünf strategischen Erfolgsfaktoren lesen Sie in unserem Artikel in der kommenden Ausgabe der FORM+Werkzeug, die im März 2021 erscheint. Wir freuen uns, mit Ihnen über die vorgestellten Typen zu diskutieren und gemeinsam zu analysieren, welche Ausrichtung für Ihre individuellen Bedürfnisse die passende ist. Unser Team rund um Prof. Wolfgang Boos berät Sie bei der Wahl der nächsten Schritte.