7. Dezember 2021
Beim 11. Jahrestreffen der WBA Aachener Werkzeugbau Akademie GmbH am 3. November 2021 stellte Prof. Wolfgang Boos, geschäftsführender Gesellschafter der WBA, ein neues Verständnis vom Werkzeugbau vor: Der Werkzeugbau von morgen ist Gesamtlösungsanbieter. Was das bedeutet, erfahren Sie in diesem Rückblick.
Man merkte es der Veranstaltung an: die Erleichterung und Freude, dass, seit Beginn der Corona-Pandemie, endlich wieder ein persönliches Treffen der WBA-Community möglich war. Die Vorstellung der neuen Community-Mitglieder und spannenden Projektergebnisse sowie die Präsentation der WBA-Projekte 2022 sorgten zusätzlich für einen positiven Auftakt. Die Analyse der aktuellen Situation der Branche fiel hingegen weniger enthusiastisch aus: Der deutsche Werkzeugbau sieht sich nach wie vor mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert. Der sich in den letzten Jahren abzeichnende Wandel hin zum „Werkzeugbau mit einem breiten digitalen Dienstleistungsangebot“ reicht allein nicht mehr aus. Der Werkzeugbau muss sich noch weiter entwickeln, um zukunftsfähig zu bleiben. „Dass der Werkzeugbau nicht mehr ausschließlich mit seinen klassischen Erzeugnissen erfolgreich sein kann, ist der Branche schon länger bewusst. Es ist daher durchaus erkennbar, dass sich Dienstleistungen, wie die Bauteiloptimierung durch Werkzeugkonstruktion, die Produktion von Kleinserien, die sensorgestützte Überwachung oder die Finanzierung von Werkzeugen, etabliert haben, um einen weiteren Mehrwert zu erzielen. Doch es zeichnet sich immer deutlicher ab: Sie allein reichen zur Sicherung der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit nicht aus.“ Mit dieser nüchternen Erkenntnis eröffnete Boos seinen Impulsvortrag. Er versicherte aber auch: Mit einem neuen (Selbst-)Verständnis kann der Werkzeugbau sich selbst retten.

Der Werkzeugbau muss größer denken und zum Gesamtlösungsanbieter werden.

Die eigene, traditionelle Prozesskette mit einer neuen Bilanzhülle zu erweitern, muss Ziel und Anspruch des neuen (Selbst-)Verständnisses sein. Rapid Prototyping und Artikelentwicklung, Ersatzteile und Reparatur, Predictive Maintenance, Kleinserienproduktion, Automatisierung, Betriebsmittel und Vorrichtungen, vormontierte Baugruppen – alles Kompetenzen, die der Werkzeugbau teilweise bereits beherrscht, bei denen aber noch intensivere Kompetenzen und Kapazitäten fehlen. „Nicht nur das Werkzeug bauen, sondern den gesamten Prozess aufbauen – das muss zukünftig der Anspruch sein”, forderte Boos und ergänzte: „Wenn der Kunde den Werkzeugbau als Generalunternehmer für die Produktion einfordert, sollte der Werkzeugbau eigentlich ‚Hurra‘ schreien.“ Warum er dies in seinen Augen aber noch nicht laut genug tut? Es fehle an vielen Stellen noch Digitalisierungs- und Automatisierungs-Know-how. Ein neues Profil erfordere erweiterte Expertise. „Ich versichere Ihnen: Wenn der Werkzeugbau von morgen ein Gesamtlösungsanbieter sein kann, dann liegt hier enormes Potenzial. Bereits etablierte Digitalisierungslösungen müssen mit dem neuen ganzheitlichen Lösungsanbieter-Verständnis kombiniert werden – dann ist das die Existenzberechtigung und -grundlage für den deutschen Werkzeug- und Formenbau.“
Die Herausforderung dabei? Die Kombination der einzelnen Disziplinen wie Automatisierungstechnik, Betriebsmittel und Anlagen, Komponenten und montierte Baugruppen, Produktentwicklung oder Prototypen- und Serienwerkzeuge zu kombinieren, ohne das Werkzeug, also den Ursprung, zu vernachlässigen. „Die neue ganzheitliche Lösung muss sein, dass Automatisierung auch intern gelöst werden kann, nicht mehr nur durch einen externen Experten, denn das wäre nur eine partielle Lösung. Mein Rat, mein Wunsch, meine Ausrichtung? Lassen Sie uns als Werkzeugbaubranche genau in diese Richtung gehen. Wenn wir es nicht tun, wird es eine andere Branche tun – und dann sieht es wirklich dunkel aus für den Werkzeugbau. Doch wenn wir die Bilanzhülle erfolgreich um entsprechende Lösungen erweitern, kann extrem viel Mehrwert für Kunden generiert werden, um dann auch wieder die entsprechenden Margen zu erzielen”, beendete Boos seinen Vortrag.
Klar ist: Die WBA wird sich 2022 vermehrt mit Partnern in den Bereichen Digitalisierung und Automatisierung austauschen und beraten und auch die eigenen Projekte und Weiterbildungsveranstaltungen entsprechend ausrichten, sodass die Branche bestmöglich auf dem Weg zum „Werkzeugbau von morgen“ begleitet werden kann.